Konzept gegen chronische Schmerzen am Krankenhaus Bad Oeynhausen

Konzept gegen chronische Schmerzen am Krankenhaus Bad Oeynhausen

Manchmal dauert ihre Leidensgeschichte schon fast ein ganzes Leben lang: Schmerzpatienten. So wie Reiner Kiel. Schon als junger Mann litt der heute 78-Jährige unter Rückenschmerzen. „Die ganze Palette an Behandlungsmöglichkeiten“ liege hinter ihm, so sagt er.

Tabletten. Spritzen. Massagen. Gymnastik. Kuren. Geholfen habe es ihm nicht – nicht dauerhaft, jedenfalls. Nachts sei er vor Schmerzen aufgewacht, von Lebensqualität habe keine Rede mehr sein können. Dann habe ihn eine Bekannte auf ein Angebot am Krankenhaus Bad Oeynhausen aufmerksam gemacht, das speziell auf Patienten wie ihn zugeschnitten sei: die Multimodale Schmerztherapie. Kiel rief an, ließ sich die Unterlagen zuschicken und erhielt schließlich einen Platz in einer Behandlungsgruppe. 16 Tage dauerte die Therapie, mit der sich für Reiner Kiel alles änderte: „Ich bin ein neuer Mensch“, sagt er. „Mein ganzes Leben lang habe ich mich gequält – und plötzlich merkt man: Es geht auch anders.“ Die Schmerzen seien nicht völlig verschwunden, aber die Intensität sei eine völlig andere. „Und ich bin auch psychisch wesentlich besser drauf“.

Ganz ähnlich ist es Edith Sander (80) ergangen, die das Krankenhaus Bad Oeynhausen mit chronischen Schmerzen im Lendenwirbelbereich aufsuchte und nach der Multimodalen Schmerztherapie „endlich wieder aufatmen“ konnte: „Meine Familie hat mich kaum wiedererkannt.“

Oder Sylvia Blase (61), der selbst eine Operation keine Linderung ihrer Rückenschmerzen brachte, sagt: „Nichts half, die Schmerzen waren da – aber das Schlimmste war, dass man irgendwann das Gefühl hatte, dass man nicht ernst genommen wird, dass einem keiner mehr glaubt.“ Als dann noch eine zweite OP im Raum stand, sei sie völlig „am Ende“ gewesen. Ihr Orthopäde schlug ihr die Multimodale Schmerztherapie vor und hier machte Sylvia Blase zum ersten Mal die Erfahrung: „Du bist nicht allein damit“. Außerdem entdeckte die vormalige „Sportverweigerin“, dass Bewegung ihr guttat – nicht nur körperlich: „Das geht vom Rücken in den Kopf und von da wieder in den Rücken. Der Kopf sagt dir: Es geht besser. Und es geht dir besser.“ Sie habe nicht nur gelernt, besser mit ihren Schmerzen umzugehen, sie sei insgesamt stärker geworden. „Mich haut so schnell nichts mehr um.“

Reiner Kiel, Edith Sander und Sylvia Blase haben durch die Multimodale Schmerztherapie ihre Schmerzen in den Griff bekommen und ihre Lebensfreude wiedergefunden. Und sie sind damit keine Einzelfälle. Das belegt eine wissenschaftliche Untersuchung, die am Krankenhaus Bad Oeynhausen durchgeführt wurde. Seit Oktober 2017 wird hier die Multimodale Schmerztherapie angeboten. Die Behandlung erfolgt stationär in kleinen Gruppen, der Patient wird intensiv interdisziplinär betreut und sorgfältig medikamentös eingestellt. Mehr als 40 Therapieeinheiten stehen auf dem Plan: Physiotherapie, Psychotherapie, Kreativtherapie, Akupunktur. Alle an der Behandlung Beteiligten, von den Ärzten und Therapeuten bis zum Pflegepersonal, sind in engem Austausch miteinander, auf jeden Patienten kann individuell eingegangen werden. „Wir haben dafür die Zeit, die ambulant in einer Praxis oft fehlt“, erläutert Dr. Kathleen Lummer, Leitende Ärztin der Schmerztherapie.

Gemeinsames Ziel ist es, die Fähigkeit des Patienten, mit Schmerzen umzugehen, zu verbessern. Denn: „Die Ursache für den Schmerz lässt sich nicht immer beheben. Aber das Erleben der Schmerzstärke hat viel mit der eigenen Wahrnehmung zu tun. Es geht deshalb darum, dem Patienten bewusst zu machen, welche Einflussmöglichkeiten er selbst hat, Handlungsmöglichkeiten zu eröffnen und die Selbstwirksamkeit zu erhöhen“, so Dr. Hans-Leo Schumacher, Psychologischer Psychotherapeut am Institut für Anästhesiologie und Intensivmedizin des Krankenhauses Bad Oeynhausen.

Unter den ersten 41 Patienten, die in der Zeit vom 16. Oktober 2017 bis zum 28. Mai 2018 im Krankenhaus Bad Oeynhausen an einer Gruppe zur Multimodalen Schmerztherapie teilnahmen, wurde inzwischen, jeweils sechs Monate nach Therapieende, noch einmal eine Nachbefragung durchgeführt. Die Ergebnisse wurden statistisch ausgewertet. Insgesamt 31 Patienten antworteten auf die Nachbefragung. 

Am Ende ihrer Behandlung hatten die Patienten ihre Schmerzen im Durchschnitt als um 40 Prozent gebessert eingeschätzt und den Erfolg der Behandlung als „gut“ bewertet. Auch ihre körperliche und psychische Befindlichkeit habe sich während der Therapie deutlich verbessert. Sechs Monate später – so die Ergebnisse der Befragung – hatten die Schmerzen der Patienten zwar wieder geringfügig zugenommen, waren aber immer noch signifikant geringer als zu Beginn ihrer Therapie. Und die Verbesserung der körperlichen und psychischen Befindlichkeit hatte fast unverändert angehalten, die Werte für die psychische Lebensqualität waren sogar noch ein wenig gestiegen.

Das wissenschaftlich fundierte Resümee der Befragung: Bei verbliebenen Restbeschwerden gelingt es den Patienten nach der Multimodalen Schmerztherapie deutlich besser, mit ihren Belastungen umzugehen. Auf diesen Erfolg ist man am Krankenhaus Bad Oeynhausen zu Recht stolz: „Auf diese Zahlen hatten wir gehofft“, freut sich Dr. Mathias Emmerich, Direktor des Instituts für Anästhesiologie und Intensivmedizin, dem die Multimodale Schmerztherapie angehört, über das positive Ergebnis. Denn hinter diesen Zahlen stehen Schicksale – wie das von Reiner Kiel, Edith Sander und Sylvia Blase.

 

Multimodale Schmerztherapie im Krankenhaus Bad Oeynhausen

 

  • Bei der Multimodalen Schmerztherapie werden viele einzelne Formen („multimodal“) der Behandlung zu einer Gesamttherapie verbunden.
  • Die stationäre Behandlung dauert 16 Tage und umfasst mehr als 40 Therapieeinheiten, bei denen besonderer Wert darauf gelegt wird, dass der Patient selbst aktiv wird. Die Patienten werden in Kleingruppen von höchstens acht Personen von einem interdisziplinären Team aus Ärzten, Therapeuten und Pflegekräften betreut.
  • Im Krankenhaus Bad Oeynhausen wird die Multimodale Schmerztherapie seit Herbst 2017 angeboten. Das Alter der bisher aufgenommenen Patienten liegt zwischen 24 und 90 Jahren. Bettlägerige Patienten und Kinder können nicht aufgenommen werden.

Die Anmeldung zur Multimodalen Schmerztherapie kann durch niedergelassene Ärzte oder persönlich durch den Patienten erfolgen. In einer umfangreichen prästationären Aufnahmeuntersuchung durch die ärztliche Schmerztherapeutin, den psychologischen Psychotherapeuten und einen Physiotherapeuten wird festgelegt, ob der Patient die Voraussetzungen für die Aufnahme erfüllt, und gegebenenfalls ein Aufnahmetermin vereinbart. Voraussetzungen für eine Aufnahme sind eingeschränkte Lebensqualität und/oder drohender Verlust der Arbeitsfähigkeit, mehrere fehlgeschlagene Vortherapien oder -operationen, Medikamentenmissbrauch bzw. -fehlgebrauch, gravierende körperliche Erkrankung oder schmerzunterhaltende psychische Begleiterkrankung. Mindestens drei Merkmale sind für eine Aufnahme erforderlich. 

 

Foto: Edith Sander, Reiner Kiel und Sylvia Blase haben durch die Multimodale Schmerztherapie ihre Schmerzen in den Griff bekommen.

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