Frank von Behren: „Wir werden variabler agieren“

Frank von Behren: „Wir werden variabler agieren“

Zu Beginn der Saison 2017/2018 der DKB Handball Bundesliga sprachen wir mit Frank von Behren, dem sportlichen Leiter von GWD Minden.

Porta Magazin: Herr von Behren, vor der letzten Saison hat es einige Regeländerungen im Handball gegeben. Wie beurteilen Sie Erfahrungen mit diesen Änderungen?

Frank von Behren: Die gravierendste Änderung war, dass man den Torwart im Angriff nicht mehr mit Leibchen kennzeichnen musste. Das haben viele Mannschaften genutzt, um als zusätzliche taktische Variante das 7 gegen 6-Spiel aufzuziehen. Als Beispiel sehe ich die Rhein-Neckar-Löwen, die das Spiel so auf hohem Niveau teilweise über 50 Minuten dominieren konnten. Das hat das Spiel schon nachhaltig verändert und wird es auch weiterhin. Insbesondere das Unterzahlspiel wird weniger bedeutend. Die Effektivität ist gestiegen. Vielleicht hat der Sport dadurch auch etwas an Attraktivität verloren, da viele Tore mit Würfen über das ganze Spielfeld erzielt worden sind. Trotzdem ist es eine Weiterentwicklung und eine Chance, gerade für schwächere Clubs, den größeren mal ein Bein zu stellen, indem sie auf dieses taktische Mittel zurückgreifen. Es wird sicher noch weitere Spezialisierungen geben und zukünftig noch mehr genutzt werden.

Porta Magazin: In der kommenden Saison gibt es eine weitere Änderung. Es dürfen 16 statt bisher 14 Spieler eingesetzt werden. Diese Regel soll die stark beanspruchten Spieler entlasten. Ist das nur eine Verbesserung für Vereine, die international spielen?

Frank von Behren: Damit passen wir uns den Regularien aller anderen Ligen in Europa an. Wir waren die letzte Liga, die noch mit 14 Spielern gespielt hat. In der Champions League wird bereits mit 16 Spielern gespielt. Selbstverständlich haben die großen Vereine jetzt die Chance, den kompletten Kader auf die Bank zu setzen. Das entlastet meiner Meinung nach nicht die Spieler. Den Kader mit 16 Spielern haben die Vereine ohnehin. Wenn du die Spieler mitreisen lässt ohne dass sie spielen, ist das auch eine Beanspruchung. Wenn du Spieler schonen will, lässt du sie zuhause und fährst mit 14 zum Spiel. Es wird jetzt für alle Vereine einfacher, im Rahmen ihrer Möglichkeiten zu agieren. Ich glaube, es wird aber keine große Auswirkung auf die Kader selbst haben. Ob die starken Vereine dadurch stärker werden, lässt sich erst in drei Jahren richtig beurteilen. Natürlich könnten wir mehr Konkurrenz bekommen, wenn Flensburg oder Kiel sich entscheiden, einen dritten Spieler für die Rückraummitte zu verpflichten, der bei uns die Nummer eins auf der Position wäre, sich aber für einen großen Verein entscheidet. Das wäre die Gefahr, die besteht. Die sehe ich allerdings nicht, denn ich würde nie als Nummer drei irgendwo hin gehen. Wer das macht, ist von der Mentalität her kein Spieler, den wir gebrauchen können. Es ist mir noch nicht zu Ohren gekommen, dass ein Verein zwei Spieler zusätzlich kaufen kann. Der Etat bleibt gleich und letztendlich bleibt es jedem Verein überlassen, wie er den Kader besetzt, ob er seinen Spieleretat auf 16 Spieler verteilt oder Nummer 15 und 16 durch Jugendspieler auffüllt. Es gibt mehr Spielraum für Personalentscheidungen. Wir sind gut aufgestellt, weil wir unsere 15 und 16 immer durch Jugendspieler besetzen werden.

Porta Magazin: Kaum dass Christian Prokop Bundestrainer wurde, forderte er eine Reduzierung der Liga auf 16 Teams, ebenfalls um Spieler zu entlasten. Im internationalen Geschäft wird aber eine Superliga angestrebt. Während national also eine Entlastung diskutiert wird, packt man international noch eine Schippe drauf. Am Ende auf Kosten der kleineren Vereine?

Frank von Behren: Das sind gegensätzliche Interessen. Dieses Problem werden wir irgendwann lösen müssen, wenngleich ich zurzeit keine Lösung sehe. Die Forderung von Christian Prokop ist aus seiner Sicht in gewisser Weise nachvollziehbar. Allerdings ist die Bundesliga, mit Ausnahme von Frankreich und mit Abstrichen auch Dänemark, die einzige funktionierende Handballliga in Europa. Die Bundesliga ist attraktiv und funktioniert. Wir haben im Schnitt 5000 Zuschauer pro Spiel. Kein Spitzenclub wird eine Reduzierung der Liga wollen, da es bei Zuschauer- und Sponsoringeinnahmen zu deren Lasten geht. In der Champions League sind die Vermarktungschancen gering, da die EHF durch die Zentralvermarktung viele Regelungen vorgibt. Haupteinnahmequelle sind dort die Zuschauereinnahmen.

Das Andere sind die Gerüchte um die Superliga. Mit Ausnahme der Franzosen und natürlich der Bundesliga brauchen Spitzenclubs in Europa eine Liga. Wenn sie keine starke nationale Liga haben, haben sie auch keine Einnahmequellen und wollen natürlich eine stärkere Belastung durch mehr Spiele haben. Die Seha League hat sich beispielsweise für Veszprém auch nicht als gut erwiesen. Sie sind nach drei Jahren ausgestiegen. Für die ist die Champions League das Non plus Ultra. Da kommen die Zuschauer. Natürlich wollen die eine größere Liga. Wir Deutschen sind die einzigen, die das nicht wollen. Aber diese größere Liga wird kommen. Da ist nur die Frage, wie sich die deutschen Vereine dann positionieren. Das wird sich in den nächsten zwei bis drei Jahren entscheiden, aber wir werden das Produkt Handball Bundesliga nicht gefährden.

Porta Magazin: Im Zusammenhang mit der neuen TV-Vermarktung der Bundesliga sind neue Anwurfzeiten festgelegt worden. Gespielt wird jetzt donnerstags um 19.00 Uhr und sonntags um 12.30 bzw. das Topspiel um 15.00 Uhr. Wie gefallen Ihnen diese Zeiten?

Frank von Behren: Ziel war es ja, eigene Zeiten zu haben, um dem Fußball aus dem Weg zu gehen. Mir gefällt der Donnerstag gut, weil man der UEFA Champions League aus dem Weg geht. Zwischen dem Mittwochspiel aus den letzten Jahren und dem „neuen“ Donnerstag gibt es ansonsten keinen großen Unterschied für die Zuschauerresonanz. Was den Sonntag um 12.30 Uhr anbelangt, haben wir noch keine großen Auswirkungen gespürt. Es wird ein Umdenken geben und es wird auch andere Zielgruppen erreichen. Genau können wir das noch nicht sagen. Es ist auf jeden Fall eine Chance. Ich finde es reizvoll, diese Konferenzschaltung am Sonntag um 12.30 Uhr im Handball auszuprobieren. Sky versucht sehr viel. Den Zuschauern soll der Handballsport näher gebracht werden, die Fans sollen nah an der Mannschaft sein. Davon profitieren alle Seiten.

Porta Magazin: Das Publikum in Minden ist manchmal etwas zurückhaltend. Müsste mehr für eine starke Fankultur getan werden und wer könnte das machen?

Frank von Behren: Das ist ein ganz sensibles Thema. Natürlich wäre es toll, wieder mehr Stimmung kreieren zu können. Was wir machen können ist, einen attraktiveren Ball zu spielen, so dass wir die Leute mitnehmen und begeistern. Wir haben ein Publikum, das wirklich sachkundig ist. Minden ist eine Handball-Hochburg mit vielen Experten. Bevor die aus den Sitzen gerissen werden, muss schon einiges passieren. Unsere Zuschauer haben eben einen gewissen Anspruch, und das auch völlig berechtigt. Deswegen liegt es erstmal bei uns, eine bessere Leistung zu bringen. Dass die Zuschauer sich selbst auch als Teil des Produktes Handball verstehen, können wir nicht beeinflussen. Wir leben nicht in Skopje und was für eine Mentalität hier herrscht, ist bekannt. Aber man darf nicht vergessen: Wenn wir gut gespielt oder bis zum Umfallen gekämpft haben, standen die Zuschauer wie eine Bank hinter uns und die Stimmung war überragend.

Porta Magazin: Vier neue Spieler, zwei weitere sind aus dem eigenen Nachwuchs in den Bundesligakader aufgerückt. Dazu kommt mit Nenad Bilbila ein Langzeitverletzter zurück. Wie schwer ist es, mit so vielen neuen Spielern ein Team zu formen?

Frank von Behren: Die Jungs sind alle professionell. Alle haben das Ziel, Bundesliga zu spielen und eine bedeutende Rolle einzunehmen. Diese Chance, sich weiterzuentwickeln, bekommen sie bei uns. Es geht jetzt darum, die richtige Abstimmung zu finden, sowohl im Angriff als auch in der Deckung, zusätzlich noch mit dem Tempospiel. Das ist viel Arbeit. Es ist klar, dass das im ersten Jahr noch nicht so gut laufen kann wie im Jahr zwei oder drei. Wir haben jetzt die Situation, dass wir einige Leistungsträger verloren haben. Irgendwann ist der Zeitpunkt aufgrund des Alters gekommen. Jetzt wird es eine große Aufgabe, die Mannschaft über mehrere Jahre zu entwickeln. Ich glaube, dass wir einen guten Mix gefunden und eine gute Mannschaft zusammengestellt haben.

Porta Magazin: Schon in der letzten Saison war es ein Ziel, das Tempospiel zu verbessern. Das hat aufgrund der Spezialistenwechsel nicht immer geklappt. Wird das für die kommende Saison ein Ziel bleiben?

Frank von Behren: Das ist ein großes Ziel. So haben wir letztlich auch unseren Kader ausgerichtet. Zum einen waren es wirtschaftliche Zwänge, die uns dazu gebracht haben, Positionen anders zu besetzen. Wir erinnern uns – Miladin Kozlina konnte nur verpflichtet werden, weil Nenad Bilbija ausgefallen ist. Bilbija kommt zurück. Insofern musste ich aus zwei Spielern einen machen, der beides spielen kann – vorne wie hinten. Was anderes wäre finanziell gar nicht darstellbar gewesen. Positiver Nebeneffekt ist, dass wir dadurch ein anderes Umschaltspiel haben. Da haben wir auch das größte Potential, denn wir haben in der letzten Saison kaum ein Spiel gehabt, wo wir das Verhältnis von erzielten zu bekommenen Tempogegenstößen und Toren aus der zweiten Welle gewonnen haben. Da waren wir immer im negativen Bereich. Das heißt, wir mussten eine bessere Abwehr und einen effektiveren Angriff als unsere Gegner spielen, um dieses Manko aufzufangen. In der kommenden Saison haben wir personell andere Voraussetzungen. Dadurch wird das Spiel allerdings auch risikoreicher.

Porta Magazin: Noch ein kurzer Blick in die Christallkugel: Wer wird Meister und wer wird es schwer haben, die Klasse zu halten?

Frank von Behren: Wie in jedem Jahr: Die Aufsteiger haben es schwer, wir kennen die Dreiteilung der Liga. Wir wissen, wer die Top-Teams sind. Flensburg, Löwen, Kiel – da kann jeder Meister werden. Füchse Berlin, Magdeburg, Melsungen sind ein wenig dahinter, können aber immer mal wieder an der Tabellenspitze anklopfen. Spannend ist die Frage, wer fällt aus seiner Gruppe raus und geht nach oben wie Wetzlar im letzten Jahr und wer enttäuscht, wie zuletzt Hannover.

Porta Magazin: Wo landet GWD Minden am Ende der Saison?

Frank von Behren: Natürlich wollen wir die letzte Saison bestätigen. Unser Blick geht nach oben. Aber das wird kein Zuckerschlecken. Wir dürfen nicht arrogant werden oder den Blick nach unten verlieren. Die vergangene Saison war sicherlich schwer, aber doch absolut positiv und souverän. Wenn wir jetzt glauben, dass wir uns ausruhen können und alles von allein kommt, dann werden wir dafür die Quittung bekommen. Es wird also noch mal mehr Arbeit als im letzten Jahr. Darüber sind sich alle im Klaren.

Porta Magazin: Herzlichen Dank und viel Erfolg in der neuen Saison.

Das Gespräch führte Mario Hancke.

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